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Mike Vogler / Mirko Kühn

Auf der Jagd nach dem Bernsteinzimmer

Das Geheimnis im Leinawald

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IMPRESSUM

Brandenburgisches Verlagshaus

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus zu vervielfältigen oder auf Datenträger aufzuzeichnen.

1. Auflage – Dezember 2018

Text: Mike Vogler, Mirko Kühn

Bildnachweis: Seite 140

Mike Vogler

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Mike Vogler wurde 1970 in Dresden geboren und lebt heute mit seiner Frau im Stadtteil Dresden-Klotzsche. Schon seit früher Jugend beschäftigt sich Mike Vogler mit geschichtlichen und grenzwissenschaftlichen Themen. Neben dem Heiligen Gral sind Geschichte und Mythologie unserer germanischen Vorfahren seine bevorzugten Forschungsgebiete. Ergebnisse dieser Forschung waren das Erscheinen der Bücher „Mysterium Heiliger Gral“ (2010) sowie „Hexen, Teufel und Germanen“ (2012). In der Folgezeit wandte sich der Autor verstärkt der historischen Erforschung von Mythen und Legenden zu, die in „Düstere Legenden“ (2014) und „Legenden des Grauens“ (2018) beschrieben wurden. Neben seiner Arbeit als Verlagsautor veröffentlicht Mike Vogler auch Bücher in Eigenregie, ist an verschiedenen Anthologien zu den Geheimnissen der Menschheitsgeschichte beteiligt und schreibt Artikel für Fachmagazine. Besuchen Sie den Autor auf seiner Webseite mike-vogler.bplaced.de

Mirko Kühn

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Heimatforscher und Co-Autor Mirko Kühn, geboren 1978, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Geheimnissen, die sich um den Leinawald ranken. Gemeinsam mit enthusiastischen Mitstreitern und verschiedenen Experten versucht er, die im Leinawald verborgene Bunkeranlage ausfindig zu machen.

Weitere Informationen zur Forschungsarbeit von Mirko Kühn finden Sie auf seiner Webseite leinawald-doku.de

INHALT

Einleitung

TEIL I

Beutekunst im Dritten Reich

Einführung

Privatsammler Hitler

Der „Führervorbehalt“

Sonderauftrag Linz“ – das „Führermuseum“

Kunstraub in Polen

Kunstraub in der Tschechoslowakei

Kunstraub in der UdSSR

Kunstraub in Frankreich

Gurlitt – Das Gesicht des NS-Kunstraubs

Das Bernsteinzimmer

Das „achte Weltwunder“

„Die Deutschen kommen!“ – Der Raub des Bernsteinzimmers durch die Wehrmacht

Auf der Jagd nach dem Bernsteinzimmer

Paul Enke und die „Operation Puschkin“

Dietmar B. Reimann und der Poppenwald

Heinz-Peter Haustein und der Fortuna-Stollen in Deutschneudorf

TEIL II

Die Gemeinde Nobitz und der Leinawald

Die Gemeinde Nobitz

Der Leinawald

Der Flugplatz Altenburg-Nobitz

Der Leinawald im Dritten Reich

Der Leinawald nach 1945

Die Rote Armee und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) im Leinawald

Ein geheimnisvoller Besucher

Ein amerikanischer Schatzjäger im Leinawald

Die Leinawald-Forschung heute

Erkundungsarbeit über die unterirdische Anlage aus der NS-Zeit im Leinawald

TEIL III

Theorie I: Der Totentemper der Nazis

Theorie II: Das Schatzversteck des Dritten Reiches

Literatur- und Quellenverzeichnis

Endnoten

Bildnachweis

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Die 2003 vollendete originalgetreue Nachbildung des Bernsteinzimmers im Katharinenpalast bei Sankt Petersburg.

Einleitung

Um an dieser Stelle gleich eins vorwegzunehmen: Die Autoren wollen sich in den folgenden Ausführungen nicht anmaßen, das Geheimnis um den Aufenthaltsort des legendären Bernsteinzimmers zu enthüllen. Vielmehr wurde der Titel des vorliegenden Buches gewählt, um die Bedeutung des unterirdischen Stollensystems im thüringischen Leinawald zu verdeutlichen. Dass diese Anlage tatsächlich existiert, wurde zweifelsfrei durch Zeugenaussagen und verschiedene Bodenmessungen festgestellt. Fraglich ist, was sich im Inneren des Stollensystems befindet. Die Vermutungen reichen von Militärtechnik des nahegelegenen Flugplatzes in Nobitz über Produktionsanlagen für die sogenannten Wunderwaffen des Dritten Reiches bis hin zu Nazi-Beutekunst, wozu eben das bis heute verschollene Bernsteinzimmer zählt. Anzumerken sei noch, dass die Autoren die Theorie der Beutekunst nach umfangreichen Recherchen als die wahrscheinlichste betrachten.

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KAPITEL I

Beutekunst im „Dritten Reich“

Einführung

Der Raub von Kulturgütern im besetzten Europa gehört mit zu den größten Verbrechen, derer sich die deutschen Nationalsozialisten während ihrer zwölf Jahre andauernden Herrschaft schuldig machten. Wenn auch die systematische Plünderung von europäischen Kunstsammlungen im Vergleich zu den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und den Verbrechen in den Konzentrationslagern auf den ersten Blick relativ unbedeutend wirkt, handelt es sich dennoch um einen wichtigen Teil der nationalsozialistischen Eroberungspolitik. Das Thema „Beutekunst im Dritten Reich“ ist derart umfassend, dass man damit problemlos ganze Bücherregale füllen könnte. Verständlicherweise wird daher im vorliegenden Werk nur in groben Zügen auf die Thematik eingegangen. Der interessierte Leser findet im Literaturverzeichnis aber verschiedene weiterführende Publikationen und Monographien, die sich umfassend mit dem Raub europäischer Kunstsammlungen durch die Nationalsozialisten befassen.

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Privatsammler Hitler

Im bescheidenen Rahmen betätigte sich Adolf Hitler schon sehr früh als privater Kunstsammler. Dabei war speziell seine Gemäldesammlung besser als ihr Ruf. Hitlers vermeintlich kleinbürgerlicher Kunstgeschmack geht fälschlicherweise auf die Memoiren von Albert Speer zurück, in denen er Hitler eine Vorliebe für rührselige, geschmacklose Gemälde bescheinigte. In seiner viel beachteten Hitler-Biografie griff der Autor Joachim C. Fest dieses Fehlurteil auf, welches sich bis heute hartnäckig hält. Besucher in Hitlers privaten Gemächern in München und später auf dem Obersalzberg berichteten dagegen von eindrucksvollen Gemälden, darunter Werke des Malers Arnold Böckling, der seine besondere Wertschätzung genoss. Böckling war ein Schweizer Maler und Bildhauer, seine Arbeiten werden der Kunstströmung des Symbolismus zugerechnet. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten bildenden Künstler des 19. Jahrhunderts.

Wie fast alle Kunstsammler fing auch Hitler klein an. Seine ersten Erwerbungen waren kleinformatige Landschafts- und Genrebilder von wenig bekannten Münchner Künstlern. Wegweisend für den beginnenden Aufbau seiner privaten Sammlung war sein Freund und späterer Reichsbildberichterstatter Heinrich Hoffmann, den Hitler 1922 kennenlernte. Da sich Hoffmanns private Sammlung auf Landschafts-, Tier- und Genremalerei beschränkte, war es nicht verwunderlich, dass Hitler zunächst ebenfalls diese Richtung bevorzugte. Hoffmann war regelmäßig in den Münchner Galerien unterwegs und machte seinen Freund auf Objekte aufmerksam, die möglicherweise dessen Interesse wecken könnten.

Hitler begann Ende der 1920er Jahre, genauer gesagt: nach dem Bezug seiner 300 Quadratmeter großen Wohnung am Prinzregentenplatz in München, mit dem gezielten Sammeln von Werken bekannter Künstler. Durch den enormen Verkaufserfolg seines Buches „Mein Kampf“ war er in der Lage, das neue Domizil mit wertvollen Gemälden auszustatten. Mit seinem wachsenden politischen Einfluss wurde auch die großbürgerliche Gesellschaft Münchens auf Hitler aufmerksam und suchte dessen Nähe. In Hitlers wachsendem Freundes- und Bekanntenkreis waren neben der Politik die Kunst und das Sammeln von Kunst die vorherrschenden Themen. Zu diesem illustren Kreis gehörte auch Ernst Hanfstaengl, Spross des Hanfstaengl-Kunstverlages, den Hitler lange Jahre zu seinen besten Freunden zählte. Obwohl Hanfstaengl einer der Wegbereiter des nationalsozialistischen Deutschlands und zeitweilig Auslands-Pressechef der NSDAP war, wandte er sich 1937 von Hitler ab und verließ Deutschland.

Ab 1935 beauftragte Hitler die Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich mit dem Erwerb von Gemälden für seine private Sammlung. Die Dame betrieb eine gutgehende Galerie in der Münchner Ottostraße, welche sich auf europäische Malerei des 15. bis 19. Jahrhunderts spezialisiert hatte. Den Kontakt zu Dietrich hatte Heinrich Hoffmann hergestellt. Da die Kunsthändlerin zudem mit Hitlers Lebensgefährtin Eva Braun befreundet war, fasste Hitler schnell Vertrauen zu ihr, obwohl Dietrich keine akademische Ausbildung genossen hatte und als Quereinsteigerin im Kunsthandel tätig war. Da Hitler selbst keine Kunstauktionen besuchte und mittlerweile für Galeriebesuche wenig Zeit hatte, studierte er die entsprechenden Kataloge und instruierte Dietrich, die dann die gewünschten Gemälde ersteigerte bzw. erwarb. Maria Almas-Dietrich verschaffte Hitler auch das Porträtgemälde „Nanna“ von Anselm Feuerbach, einer der bedeutendsten deutschen Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Laut Aussage von Hitlers Sekretärinnen war „Nanna“ dessen absolutes Lieblingsbild. Im August 1940 endete die bis dahin fruchtbare Geschäftsbeziehung zwischen Hitler und Dietrich. Hans Posse, der Sonderbeauftragte für das geplante „Führermuseum“ in Linz, wo Hitler seinen Altersruhesitz plante, prüfte ein Kontingent von 325 Gemälden aus den Niederlanden, die Dietrich ihrem Kunden Hitler anbot. Die Bilder waren als Grundstock für das erwähnte Museum gedacht, erwiesen sich jedoch als nur mittelmäßige Werke unbekannter Maler, die sich bisher als unverkäuflich herausgestellt hatten. Hitler fühlte sich betrogen und stellte auf Anraten von Hans Posen die Geschäftsbeziehungen mit Maria Almas-Dietrich ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Kunsthändlerin etwa 270 Bilder an Hitler verkauft. Für die künstlerische Ausstattung seines privaten Domizils auf dem Obersalzberg engagierte Hitler den Berliner Kunsthändler Karl Haberstock. Dieser gehörte zu den führenden Kunsthändlern der Reichshauptstadt und war auf deutsche Kunst spezialisiert. Die beiden Männer hatten sich ebenfalls über Heinrich Hoffmann kennengelernt. Hitler schätzte Haberstock nicht nur als Lieferanten von Kunstwerken, sondern auch als Kenner der europäischen Gemäldesammlungen. Der Kunsthändler unterhielt beste Geschäftsverbindungen zu allen großen Museen in Europa. Haberstock gilt auch als Verfasser des Privatdruckes „Meisterwerke der Malerei AH“. Hierbei handelt es sich um zwei monumentale Bände mit eingeklebten Fotografien von Hitlers privater Gemäldesammlung. Die hochwertig verarbeiteten Bildbände sind in rotes Leder gebunden und tragen das Signet von Hitler in Goldprägung. Jedes der Bilder ist mit einem ausführlichen Kommentar versehen, deren fachliche Kompetenz auf Karl Haberstock als Verfasser hindeutet. Eines der wenigen noch erhaltenen Exemplare der „Meisterwerke“ befindet sich heute in der Bayerischen Staatsgemäldesammlung München.

Der „Führervorbehalt“

Mit dem sogenannten „Führervorbehalt“ vom 18. Juni 1938 begann das wohl dunkelste Kapitel der europäischen Kunstgeschichte. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich begann die systematische Beschlagnahme jüdischen Vermögens, die auch Wertgegenstände und Kunstwerke aus dem Besitz von Privatpersonen einschloss. Mit dem „Führervorbehalt“ sollte die weitere Verwendung der beschlagnahmten Kunstgegenstände eindeutig geregelt werden.

Im Folgenden der detaillierte Wortlaut des von Dr. Hans Heinrich Lammers, damals „Reichsminister und Chef der Reichskanzlei“, verfassten Schreibens:

„An den Herrn Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern

Berlin, den 18. Juni 1938 Geheim!

Betreff: Beschlagnahme staatsfeindlichen Vermögens in Österreich

Bei der Beschlagnahme staatsfeindlichen, im Besonderen auch jüdischen Vermögens in Österreich sind u. a. auch Bilder und sonstige Kunstwerke von hohem Wert beschlagnahmt worden. Der Führer wünscht, dass diese zum großen Teil aus jüdischen Händen stammenden Kunstwerke weder zur Ausstattung von Diensträumen der Behörden oder Dienstwohnungen leitender Beamten verwendet, noch von leitenden Persönlichkeiten des Staates und der Partei erworben werden. Der Führer beabsichtigt, nach Einziehung der beschlagnahmten Vermögensgegenstände die Entscheidung über ihre Verwendung persönlich zu treffen. Er erwägt dabei, Kunstwerke in erster Linie den kleineren Städten in Österreich für ihre Sammlungen zur Verfügung zu stellen.

Indem ich Ihnen hiervon Kenntnis gebe, bitte ich im Auftrag des Führers, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, damit eine Verfügung über das in Österreich beschlagnahmte Vermögen bis auf weiteres unterbleibt. Ich wäre Ihnen ferner dankbar, wenn Sie bereits jetzt die erforderlichen Maßnahmen treffen würden, um dem Führer eine Übersicht über die beschlagnahmten Vermögenswerte zu ermöglichen, und mir über das Ergebnis Ihrer Feststellungen nähere Mitteilung machen würden.

Die Herren Reichsminister des Inneren, für Volksaufklärung und Propaganda und für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sowie der Herr Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und der Herr Reichsstatthalter in Österreich haben Abschriften dieses Schreibens erhalten.

gez. Dr. Lammers“1

Der zunächst nur für jüdisches Vermögen geltende „Führervorbehalt“ wurde am 24. Juli 1939 auf Kunstwerke erweitert, die auf Grund des österreichischen Denkmalschutzgesetztes sichergestellt wurden. Zudem waren nun auch die Kunstsammlungen der österreichischen Klöster und Stifte betroffen. Am 9. Oktober wurde der „Führervorbehalt“ mit einem Rundschreiben auf das gesamte Reichsgebiet ausgedehnt und schließlich am 18. November 1940 auf die bis zu diesem Zeitpunkt von der Wehrmacht besetzten Länder erweitert. Im Zuge des Russlandfeldzuges galten die Anweisungen ab dem 24. Juli 1941 auch für die besetzten sowjetischen Gebiete.

Wie im „Führervorbehalt“ explizit erwähnt, oblag es Reichskanzler Adolf Hitler, über die Verwendung der geraubten Kunstgegenstände persönlich zu entscheiden. In der Folgezeit entwickelte der verhinderte Künstler Hitler mit Hilfe seiner Schergen eine Sammelwut, die unstillbar schien. Hitler war die zentrale Figur des NS-Kunstraubes in den von der Wehrmacht besetzten Ländern. Er beeinflusst damit bis heute die europäische Kunstwelt! Für das in Linz geplante Museum durchforsteten speziell eingesetzte Kommissionen die Museen der besetzten Länder und beraubten diese ihrer einzigartigen Schätze.

„Sonderauftrag Linz“ – das „Führermuseum“

Zur oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz hatte Hitler schon immer eine besondere Verbindung. Hier war er zur Schule gegangen und hatte prägende Jugendjahre verbracht. Auch sein Freund August Kubizek stammte aus Linz. Gemeinsam mit Kubizek sah Hitler 1906 in Linz seine erste Wagner-Oper, ein einschneidendes Erlebnis für den zukünftigen Führer des „Dritten Reiches“. Wagner wurde zu seinem Idol, an seiner Musik berauschte er sich, seine opulenten Bühnenbilder prägten sein künftiges Weltbild. Kubizek berichtet in seinem Buch „Adolf Hitler, mein Jugendfreund“, dass Hitler von der Aufführung von „Rienzi“ im Linzer Stadttheater tief beeindruckt war. Nach dem Ende der Aufführung wanderten die beiden jungen Männer auf den nahegelegen Freinberg, wo Hitler wie besessen auf seinen Freund einredete. Er sprach von seinen hochtrabenden Zukunftsvisionen, von seiner glänzenden Zukunft und der unvorstellbaren Macht, die ihm einst zur Verfügung stehen würde.

Später reifte in Hitler die Idee, in Linz seinen Lebensabend verbringen zu wollen. Um die Bedeutung der Stadt zu betonen, verlieh er ihr den offiziellen Titel „Heimstadt des Führers“. Hitler hatte für Linz weitreichende Pläne. Bis 1950 wollte er aus der barocken Kleinstadt an der Donau eine Kulturmetropole machen, vergleichbar mit Budapest, wie er einmal erwähnte. Als Zentrum sah Hitler sein „Führermuseum“, in dem die bedeutenden Kunstschätze Europas vereint werden sollten.

Während eines Besuchs des Oberösterreichischen Landesmuseums in Linz am 8. April 1938 äußerte sich Hitler erstmals gegenüber dem Museumsdirektor Dr. Theodor Kerschner über einen groß angelegten Museumskomplex, der ihm vorschwebte. Während des gemeinsamen Rundgangs mit Kerschner sprach Hitler vom Ausbau der Linzer Museumslandschaft. Ihm schwebten ein repräsentatives Gaumuseum sowie ein großangelegtes Volkskundemuseum vor. Zudem dachte er daran, das Oberösterreichische Landesmuseum mit einem Ergänzungsbau zu erweitern. Dr. Kerschner, der sich in Gedanken schon als der Leiter dieser Museen sah, stimmte Hitler verständlicherweise natürlich überschwänglich in all seinen Ideen zu.

Die Besichtigung der Galerie der Uffizien in Florenz im Mai 1938 bestärkte Hitler in seinen Plänen für ein zentrales Museum im Deutschen Reich. Der offizielle Staatsbesuch in Italien wurde zu einer regelrechten Kunstreise. Neben Florenz besuchte Hitler auch die Kunststädte Rom und Neapel. Sein Gastgeber Benito Mussolini, der selbst wenig kunstinteressiert war, drängte bei den Museumsbesichtigungen immer aufs Weitergehen, doch Hitler verlor sich regelrecht in den besichtigten Kunstwerken. Noch Jahre später schwärmte er von seiner Italienreise.

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Hans Posse im Jahr 1939

Zurück in Deutschland begann Hitler unverzüglich mit der Planung seines mittlerweile umgangssprachlich als „Führermuseum“ bezeichneten Projektes. Offiziell trug die Planung für den großangelegten Museumskomplex die Bezeichnung „Sonderauftrag Linz“. Die passende Örtlichkeit war mit Linz gefunden, jetzt fehlte nur noch ein kompetenter Kunstexperte, der Hitlers Pläne verwirklichte. Dieser betraute seinen Kunsthändler Karl Haberstock mit der Aufgabe, den geeigneten Mann zu finden. Haberstock, der alle Kunstexperten und Museumsdirektoren im deutschsprachigen Raum kannte, empfahl Hitler den Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Hans Posse. Hitler und Posse waren sich bereits 1934 begegnet, als der „Führer“ in Dresden weilte und die dortige Gemäldegalerie besichtigte. Hitler war mit der Wahl einverstanden, beabsichtigte jedoch, Hans Posse einer persönlichen Prüfung zu unterziehen.

Posse galt in der Kunstszene Deutschlands als äußerst umstritten. Der gebürtige Dresdner war im Jahr 1910 im Alter von erst 31 Jahren zum Leiter der Staatlichen Gemäldegalerie berufen worden. Das trug ihm viele Neider ein. Sein augenscheinliches Interesse für die sogenannte entartete Kunst rückte ihn bald in den Blickwinkel nationalistisch gesinnter Kreise. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war völkisches Gedankengut in Deutschland endgültig salonfähig geworden und hatte auch in der Kunstszene Einzug gehalten. Abstrakte Kunst war hier verpönt. Künstler wie Otto Dix oder Wassily Kandinsky galten als nicht mehr gesellschaftsfähig. Unter „entartete Kunst“ fielen auch zunehmend die Arbeiten aller jüdischen Künstler. Hans Posse ließ sich von solchem Gedankengut jedoch nicht beeindrucken und kaufte speziell Gemälde der vermeintlich „entarteten Kunst“, um sie in verschiedenen Ausstellungen dem Publikum sozusagen als Avantgarde der deutschen Kunst zu präsentieren.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland wurde die Lage für Posse zunehmend prekär. Zunächst hielten ihn noch sein Sachverstand und gute Beziehungen zu hochrangigen Mitgliedern der NSDAP auf seiner Stelle als Museumsdirektor, doch spätestens nach der Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München war sein Stand gefährdet. Im Rahmen der Ausstellung hatte Hitler klargestellt, welche Kunstwerke er in deutschen Museen sehen wollte. Die Bilder abstrakter und vor allem jüdischer Künstler gehörten nicht dazu. Am 7. März 1938 legte das Sächsische Ministerium für Volksbildung Hans Posse nahe, seine Versetzung in den dauerhaften Ruhestand zu beantragen. Das war eine übliche Methode, renommierten Personen eine Entlassung zu ersparen. Posse fügte sich und reichte nur wenige Tage später den entsprechenden Antrag ein, der umgehend bewilligt wurde.

Obwohl Hitler durchaus bewusst war, dass er durch eine mögliche Berufung von Hans Posse für einigen Wirbel in der deutschen Kunstszene sorgen würde, war er doch von dessen Kunstverstand und seinen Verbindungen zur europäischen Kunstwelt fasziniert. Um allen Eventualitäten aus dem Weg zu gehen, reiste Hitler im Juni 1938 nach Dresden, um sich mit Posse zu treffen. Jener war mittlerweile kurzfristig in den Staatsdienst zurückbeordert worden, um die Ausstellung „Deutsche Kunst vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts“ vorzubereiten. Man konnte nicht auf seinen Sachverstand verzichten, seine vormalige Leitungstätigkeit wurde ihm jedoch verwehrt.

Am 18. Juni 1938 besuchte Hitler die Dresdner Gemäldegalerie, um sich von der Eignung Posses für sein „Führermuseum“ persönlich zu überzeugen. Hitler ließ sich von Posse durch das Museum begleiten und unterhielt sich mit ihm ausführlich über seine weitreichenden Pläne. Posse war vom „Projekt Führermuseum“ sofort hellauf begeistert und machte gleich konkrete Vorschläge. Der Führer schien zweifelsohne von Posse beindruckt, obwohl seine Persönlichkeit so gar nicht in das nationalsozialistische Weltbild passte. Posse war trotz seiner bisherigen herausgehobenen Position kein Mitglied der NSDAP und seine Vorliebe für die „entartete Kunst“ teilte Hitler absolut nicht. Allerdings war dieser so sehr vom Kunstverstand des Dresdner Museumsdirektors überzeugt, dass er in Hans Posse den idealen Mann für die Verwirklichung seiner Pläne sah. Ein entscheidender Punkt war wohl auch, dass Posse während seines Studiums als der Lieblingsschüler von Wilhelm von Bode galt, dem Generaldirektor der preußischen Kunstsammlung, den Hitler als den bedeutendsten Kunstexperten überhaupt ansah.